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11. Februar 2016Badminton
Das Abenteuer Badminton beginnt nicht erst mit der Reise auf die grüne Insel. Im Dezember mache ich immer die vorläufige Saisonplanung für meine Pferde.
In 2015 haben wir die Euro in Schottland und es ist das Jahr vor „Rio“. Alle Pferde, die in Rio starten dürfen, benötigen in diesem Jahr eine Qualifikation. Horseware Hale Bob (Bobby) hat in Pau mit einem 4* – Sieg schon seine Qualität gezeigt. Doch Badminton hat seine eigenen Gesetze und zählt – wie Pau – zu den 6 schwersten 4* Prüfungen der Welt. Genau richtig, um Bobbys Qualität noch einmal unter Beweis zu stellen
Somit stand schnell fest: Wir fahren 2015 mit Bobby nach Badminton!
Im April ist Bobby in Luhmühlen gut in die Saison gestartet und im hügeligen Kreuth gab es nochmal einen extra Konditionsschub. Das regelmäßige Galopptraining an unserem „Hausberg“ in Altenberge trägt Früchte. Bobby ist fit für einen anspruchsvollen 6500 Meter Kurs (11,27 Minuten).
Die Abreise nach Badminton ist für Montagabend 19.00 Uhr geplant. Der LKW ist von Carmen gepackt, Bobby hat den Tag auf der Weide verbracht und kurz vorher habe ich mit ihm noch eine kleine Runde gedreht.
Das Badminton-Team is ready to go.
Ein langer Stau in Antwerpen lässt uns erst gegen 02.30 in Calais ankommen. Nun kam die Überraschung: Die Hundepässe waren nicht so, wie vom Zoll gewünscht und das bedeutet – keine Einreise. Was jetzt??
Unsere Hunde sollten auf jeden Fall mit. Wir haben einen Tipp für einen Stall in Calais bekommen. Mit Bobby konnten wir dort ein bisschen grasen gehen und er konnte sich in einem Stall etwas ausruhen und wir den frühen Morgen genießen! Eine Tierärztin in Calais hat uns die geforderten Papiere ausgestellt und dann ging es weiter wieder Richtung Fähre. In der Zwischenzeit hatte der Wind sehr aufgefrischt und der Herr am Ticketschalter meinte:“ It’s very windy today and we dont’t know if horses are allowed on bord!“ Oh no, nun hieß es warten und Daumen drücken. Wir hatten Glück und durften noch vor dem angekündigten „Eye oft he storm“ auf das Schiff. Die Überfahrt war nichts für schwache Nerven. Die Wellen schlugen bis zu 15 Meter hoch auf das Schiff ein und es schaukelte richtig. Zum Glück dauerte es nur 90 Minuten bis die typischen Kreidefelsen von Dover zu sehen waren. Geschafft, wir waren auf der schönen grünen Insel, „the mother country of eventing“ angekommen.
In Badminton anzukommen ist schon das erste besondere Erlebnis. Nachdem wir durch eine traumhaft schöne Landschaft gefahren sind werden die Straßen immer enger, eingefasst in Hunderte von Jahren alte Bruchsteinmauern. Hier scheint die Zeit stehen geblieben zu sein. Empfangen werden wir von einem Komitee aus Tierärzten, Organisation und Offiziellen. Bobby wird nach dem abladen direkt untersucht. Alles geht recht turbulent zu, es ist Hauptanreisezeit der 83 Pferde, die in der CCI4* Prüfung an den Start gehen werden. Nun geht es durch das kleine Dorf (littel Badminton) mit dem großen LKW, zu den heiligen Ställen. Hier entladen wir den LKW und Bobby hat einen schönen großen Stall.
Bobbys neues Heim ist schnell eingerichtet und nun noch einen schönen Platz für den LKW „Villa Klimke“ für den Rest der Woche. Mittwoch habe ich mit Bobby eine lockere Runde in dem wunderschönen alten Park gedreht. Die uralten Bäume und Alleen, hügelige Graslandschaft und immer wieder Blicke auf das Schloss lassen mein Herz höher schlagen. So eine ursprüngliche Natur habe ich selten gesehen.
Bei dem ersten Briefing treffen sich alle Reiter der internationalen Busch-Szene. Ein freudiges Wiedersehen mit vielen Bekannten! Die Vorstellung der Offiziellen, erste Informationen zur Strecke und zum Ablauf der nächsten Tage. Anschließend durften wir zum ersten Mal den Geländekurs anschauen. Viele schauen sich im Vorfeld schon die Animationen der Strecke an, doch ich versuche meine Neugier im Zaum zu halten, bis ich es live erspüren kann. Ich stelle mir dann auch immer genau vor, mit welchem Pferd ich den Kurs reite, denn manche Hindernisse sehen z.B aus Escadas Blickwinkel anders aus als für Bobby.
Für mich ist die erste Geländebesichtigung, das erste Bauchgefühl und der Blick aus „Bobbys Augen“ der Entscheidende, der erste Eindruck hinterlässt Spuren, denen ich später gut folgen kann.
Eine sehr große Bereicherung ist die unermüdliche Unterstützung von unserem Bundestrainer Chris Bartle, der für die deutschen Reiter in Badminton seinen großen Erfahrungsschatz teilte. Seine „bessere Hälfte“ Hans Melzer hat mir in Badminton gefehlt. Hans hat in Marbach die deutschen Reiter unterstützt und so wusste ich auch Greta in guten Händen, die mit Andreas in Marbach bei Ihrer 2. internationalen Ponyprüfung am Start war.
Fazit unserer ersten Geländebesichtigung: Ein fair gebauter, anspruchsvoller und schwerer Geländeparcours, den ich nicht unterschätzen darf. Präzises reiten auf der Ideallinie!
Bei stürmischen Wetter war die erste Teilprüfung, Verfassung! Die Verfassungsprüfung ist ein besonderes Highlight, weil nicht nur die Pferde wunderschön herausgebracht sind, auch jeder Reiter versucht sich auf seine Art in Szene zu setzen. Das Badminton House bietet eine besondere Kulisse und die extra aufgebauten Tribünen waren voll besetzt.Bobby präsentierte sich frisch, ich konnte allerdings meinen Mantel nicht ausziehen, sonst hätten meine Zähne vor Kälte geklappert. 🙂
Mit der Startnummer 63 waren wir erst am zweiten Dressurtag dran und konnten so den Donnerstag noch nutzen um Bobby zweimal mit Chris dressurmäßig auf unterschiedlichen Vierecken in der Atmosphäre zu arbeiten. Für mich gehört das Reiten der Aufgabe zum Abschluss der Arbeit, vor dem Zügel aus der Hand kauen lassen, immer dazu. Bobby gibt es Sicherheit, die Abfolge der Lektionen genau zu wissen.
Zwischendurch bin ich insgesamt viermal den Kurs abgegangen, das letzte Mal am Samstag früh.Die Einladung des Duke of Beaufort zum Empfang in seinem einzigartigen, typisch britisches Badminton House, haben wir mit Freude angenommen. Die German Power Girls haben sich schick gemacht und unter den britischen Landadel gemischt.
Freitag war dann unser Dressurtag. Der extra angereiste Fanclub und mein Bruder Rolf waren alle pünktlich zur Stelle. Als ich Bobby morgens auf dem Abreiteplatz schon mal locker reiten wollte, sah er die Geländehindernisse und hat für sich entschieden, dass heute Geländetag ist. Das hat mich kurzfristig aus dem Konzept gebracht, da er von meinen halben Paraden nichts mehr wissen wollte. „Hier liegt doch was in der Luft“, muss durch seinen Kopf geschossen sein.
Da wir uns schon so lange kennen, konnte ich ihn dann doch überzeugen, dass heute erst Dressurtag ist.Beim Abreiten für die Dressur war Bobby richtig locker und fühlte sich toll an. In der Aufgabe präsentierte er sich vor allem in der Trabtour ausdrucksstark. Bein durchparieren zum Schritt, war er kurz irritiert und zackelte einmal an. Durch Hundegebell auf der Tribüne erinnerte er sich kurz an die Hundemeute bei seinen Fuchsjagden. In der Galopptour war er wieder komplett bei mir und wir konnten alle Lektionen sicher und losgelassen zeigen. 40,2 Punkte bedeuteten Rang vier nach der Dressur.
Ab jetzt war die gesamte Aufmerksamkeit beim Geländekurs. Minutenpunkte, Vorbereitungspunkte und alle Alternativen und „What happens if“ haben mich bis in meine Träume begleitet. Besonders schön ist immer das letzte voll konzentrierte Abgehen des Kurses in der frühen Morgenstunde des Geländetages.
Ab 11:30 Uhr – Start Gelände, konnte ich die ersten 15 Starter auf den Bildschirmen im Reiterzelt verfolgen. Alle sind sehr aufgeregt, die Spannung knistert förmlich und die große Frage ist: Wie lässt sich der Kurs reiten? Mit Bravour zeigten die ersten Top Reiter, eine clear round in time ist möglich.Zur letzten Konzentration ziehe ich mich in die „Villa Klimke“ zu einem kleinen „Nickerchen“ zurück.Badminton hat eine große Tradition und am Geländetag sind knapp 200.000 Menschen und mindestens jeder Zweite mit einem oder mehreren Hunden und oder Kindern unterwegs. Die gigantische Atmosphäre beflügelt jeden Reiter und die Pferde. Der Abreiteplatz liegt an der Strecke, sodass alle vier Minuten ein Reiter vorbeigaloppiert. Bobby war überwältigt und kaum zu bremsen. Er war so aufgeregt und wollte am liebsten sofort hinterher. Meine erste Herausforderung war es schon, mit Bobby kontrolliert vom Abreiteplatz bis zur Startbox zu kommen.Da ich ihn nicht vorwärts loslassen konnte versuchte er es seitwärts und trat sich dabei ins Eisen. Das Eisen flog dann Carmen und Chris direkt vor die Füße. Noch vor Sprung eins waren wir nur mit 3 Eisen unterwegs. Mir schossen viele Gedanken durch den Kopf. Was tun?? Am liebsten hätte ich angehalten und das Eisen wieder draufgemacht, das war nicht möglich. Noch mehr hineinhorchen, wie gut und sicher er mit nur einem Eisen galoppiert, auf alles gefasst sein. Bis nach Sprung 9 konnte ich keine Unsicherheit feststellen. Frisch, motiviert und sicher galoppierte und sprang er über alle Hindernisse. Nach Sprung 9 galoppierte man durch die Bäume auf die freie Wiese, auf das erste Wasser zu. Als plötzlich direkt auf meiner Trasse ein graues Auto mitten im Weg stand, blieb mir fast das Herz stehen. Auch Bobby überlegt kurz ob er da jetzt wohl rüber sollte. Die Leute schrien und sprangen an die Seite. In der letzten Sekunde fuhr das Auto los und ich konnte haarscharf dran vorbei galoppieren.Puh, Glück gehabt – und das in Badminton!!!!!! Viel Zeit für Schock war nicht, der Badminton Lake wartete auf uns. Mit Chris Worten für den recht tief runter gehenden Einsprung im Kopf, „your head must touch his tail“ galoppierte Bobby sehr motiviert zum Wasser. Der Einsprung war kein Problem für ihn. Ein irres Gefühl von oben, wie souverän Bobby alle Aufgaben löst.
Er war so flott unterwegs, dass ich bei den Minutenpunkten immer vor der Zeit war. Bei der Hinderniskombination 18, A, B, C, mit einem Wasser nach A, hat er nach B mit C nicht mehr gerechnet. Erst über der Hecke von B konnte man C sehen, doch kein Problem für Bobby, er ließ sich ohne Probleme nach rechts wenden und wir flogen über C. Dieser Komplex war für mich die größte Herausforderung, nicht für Bobby 🙂
Bis zum Schluss galoppierte er frisch vorwärts, fühlte sich kein bisschen müde an: Clear round in time, was für eine Freude und Dankbarkeit. Ich war tief berührt wie vertrauensvoll und entschlossen Bobby gekämpft hat. Dieses Gefühl der tiefen Verbundenheit ist mit Worten nicht zu beschreiben.
Carmen, unser Mannschaftstierarzt Carsten Rohde und der Neuseeländische Schmied Andrew haben alles ermöglicht, dass Bobby am Sonntagmorgen frisch durch die Verfassungsprüfung trabte.
Nach der Parcoursbesichtigung war noch etwas Zeit für eine kleine Shopping-Tour in den unzähligen Ständen. Oh, das macht Spaß!
Das Stadion von Badminton war voll und die Spannung besonders groß, da alle Reiter sehr dicht zusammen lagen. Eine englische Tradition ist die Parade der Reiter vor den Top 20. Alle Reiter und Pferde reiten nacheinander ein und werden namentlich erwähnt . Das Publikum belohnt jeden Reiter mit einem großen Applaus. Ein freundlicher Gruß zu den Dukes und Royals ist in der Stimmung eine besondere Ehre!
Ich konnte das Springen gelassen auf mich zukommen lassen. Intensives Springtraining mit meinem Trainer Kurt Gravemeier, meinem S-Springpferd Parmenides und der neue Trainnigsparcours meiner Sponsoren haben mir Sicherheit und Vertrauen gegeben. Überglücklich und erleichtert mit dem Dressurergebnis die Prüfung in Badminton zu beenden vielen wir uns alle in die Arme. William Fox Pott heißt der verdiente Sieger, für den ich mich so gefreut habe. Einen Sieg durch überzeugte Leistung vor heimischer Kulisse! Congratulations 🙂
Eine stilvolle Siegerehrung im vollen Stadion – Gänsehaut. In diesen Momenten geht mein Blick immer gen Himmel und ich spüre, dass mein Papa – dem ich das alles zu verdanken habe – sehr, sehr nah ist.
Es ist wie ein Traum, es ist noch so unwirklich. Zum zweiten Mal Zweite in Badminton.
Sooo viele Anrufe, Nachrichten, SMS und WhatsApp helfen mir dieses Erlebnis zu realisieren und teilen die Freude.
Danke an alle, die mich auf dem Weg zu diesem Erfolg so unermüdlich unterstützt haben mit Taten, Worten und Gedanken.
Es ist in Worte nicht zu fassen!
Solche Leistungen sind nur als Team möglich!